Thomas Jäger, Anna Daun u.a
Staatszerfall, Gewaltmärkte und Drogenökonomie
VS-Verlag, Wiesbaden 2007, 310 Seiten, € 39,90
Die AutorInnengruppe um den Politikwissenschaftler Thomas Jäger hat sich vorgenommen, die vertrackte Lage Kolumbiens theoriegeleitet zu entwirren. Ursachen, Facetten und Auswirkungen der kolumbianischen Krise werden wie auf dem Operationstisch seziert und unter verschiedensten Perspektiven analysiert: Kriegsakteure, Kriegsökonomie, Staatszerfall, Drogenproblematik, internationale Akteure, regionale Auswirkungen – in einem zweiten Schritt auch in ihrem Zusammenwirken.
Nur einige Schlaglichter: Die Entwaffnung der Paramilitärs wird in Widersprüchlichkeit dargestellt, ohne so weit zu gehen wie Südwind-Redakteur Werner Hörtner in seinem Buch („Kolumbien verstehen“, 2006) und von einer „Paramilitarisierung Kolumbiens“ zu sprechen, aber doch von einem Legitimitätszerfall durch die Verschmelzung der Staatsgewalt mit einem illegalen Akteur.
Der Konflikt mit der Guerilla: Die Regierung will siegen und verliert, wenn ihr das nicht gelingt; die Guerilla will nicht besiegt werden und gewinnt, wenn die Regierung nicht siegt. „Auf diese vertrackte Weise bleiben die politischen Bedingungen für die Organisation von Gewaltmärkten bestehen, in denen sich private Akteure bewegen, die aus der Staatsschwäche Nutzen ziehen und deshalb an ihrer Konservierung interessiert sind.“
Breit wird in diesem Zusammenhang die Rolle der USA und die der „Private Military and Security Companies“ analysiert (so der Titel eines anderen im Jänner 2007 von Jäger herausgegebenen Buches).
Die Analyse der Kriegsökonomie bringt neben bekannten Fakten (Finanzierung der Gewaltakteure durch Drogenhandel, Entführungen und Erpressung von Schutzgeld) auch interessante Neuigkeiten, wie die Erpressung der Ölwirtschaft durch die Guerilla und gezielte Vertreibungen und Landaneignungen durch die Paramilitärs.
Ein ungemein datenreiches und informatives Stück Politikwissenschaft, das zu einem ebenso überzeugenden wie vernichtenden Fazit kommt: Die repressive Politik wirkt konfliktverschärfend und trägt zur regionalen Ausbreitung der Konflikte bei. Insbesondere Präsident Uribes Militarisierung „… kann zur Wiederherstellung des Gewaltmonopols des Staates und zur Stabilisierung des Landes nicht in einem Erfolg versprechenden Maß beitragen“.